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© Internationale Inferno-Skirennen, Rene Pfluger

14,9 Kilometer: Das Inferno-Rennen in Mürren ist die längste Abfahrt der Welt. Im Ziel lacht einzig die Sonne.

Kleines Schilthorn unterhalb des Piz Gloria. Freizeitabenteurer und Spinner aus der ganzen Welt in engen Rennanzügen lockern ihre Oberschenkel. 1850 sind am Start.

Ich, Startnummer 1228, reihe mich zwei Plätze vor Hans-Peter ein. Er kenne die Strecke «auswendig», sein 55. Inferno-Rennen, zum vierten Mal erst die vollen 14,9 Kilometer. Der Schnee reiche bis ins Tal. «Ein Riesenerlebnis.»

Ich bin Neuling, hatte keine Zeit für eine Streckenbesichtigung, trage keinen Rennanzug, keine Abfahrtsski. Im Starthaus hängt eine Schnapsflasche. Mut antrinken. Im Zwölfsekundentakt werden die Rennfahrer ins Tal geschickt. Ich presche los auf der zerfurchten Piste. Am Horizont strahlen Eiger, Mönch und Jungfrau. Ein Genuss. Vorerst.

Drei Minuten dauert die Anfangshocke. Eine Ewigkeit. Die Oberschenkel brennen. Die Kräfte schwinden. Jede Kurve, jeder Schlag könnte fatal enden. «Bitte nicht ins Sicherheitsnetz», sagte meine Mutter. Die Kompressionskräfte im legendären Kanonenrohr: überstanden. Haarnadelkurve im Fotocorner: gemeistert. Dann eine Traverse. Zermürbende Schlittschuhschritte. Hangaufwärts! Grotesk. Jetzt, im Kriechtempo, wird das Rennen zur Qual. Die Zuschauer peitschen an. Die Zunge hängt am Boden. Oben angekommen, weiss ich nicht, was schlimmer ist: das Delirium oder die erneute Gleiterstrecke. Sie zieht sich endlose fünf Kilometer bis nach Lauterbrunnen.

Entkräftet liege ich im Ziel. Der Erstklassierte benötigte 13:24 Minuten. Ein Schweizer aus Naters. Meine Grenzerfahrung dauerte 20:13 Minuten. Rang 1190. Jetzt dämmert mir, warum die Rennleitung in der Gondel das Lied «Highway to Hell» spielte.

Roman Zeller, Volontär bei der Weltwoche – Gastautor, der auch vom Ruhm der Unsportlichkeit profitieren will!

Artikel veröffentlicht durch die Weltwoche.

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